Bamberger Industriegleis und Frankenbräu/Hofbräu AG Pödeldorfer Straße 75
Am 27.11.1885 gründet der Hopfenhändler Simon Lessing die „Erste Bamberger Exportbierbrauerei Frankenbräu“ und erwirbt Grundstücke in der Flur „Neuerb“ am „Weg zur Kunigundenruhe“ (später Pödeldorfer Strasse) gegenüber der Gaststätte „Tivoli“.
Exkurs: Entwicklung und Bedeutung der Eisenbahn für die bayerischen Exportbierbrauereien und für die Exportbierbrauerei 'Frankenbräu' in Bamberg
Das Gelände ist weitläufig unbebaut, die Brauerei entsteht „auf der grünen Wiese“. Bereits sehr früh entsteht zu Werbezwecken eine Abbildung „aus dem Vogelflug“ durch die Lithographische Kunstanstalt Ch.Seitz aus Mannheim. Vieles auf diesem Bild ist erkennbar Konzeption und entspricht nicht den späteren Realisierungen. Nicht weniger als 13 Fuhrwerke sind erkennbar, ein Werksgleis ist nicht vorhanden, jedoch fährt im Hintergrund bereits ein Zug nach Scheßlitz, der erst 20 Jahre später Realität werden wird. Die Größe der Anlagen lässt bereits die industrielle Dimension der Produktion von Bier erkennen.
In die gleiche Kategorie von phantasievollen Werbeabbildungen gehört auch ein weiteres Bild von etwa 1888. Nun sind bereits Gleisanlagen Teil der Darstellung. Im Hintergrund sieht man sogar einen angedeuteten Lokschuppen, doch die Brauerei hatte nie eine Lokomotive. Auch gab es zu keiner Zeit ein umlaufendes Gleis durch die Pödeldorfer Strasse und ebenfalls die vielen Gleisverbindungen innerhalb des Fabrikgeländes mit vier oder mehr Drehscheiben wurde nie Realität. Im Vordergrund jedoch sehen wir die Ausflugsgaststätte „Tivoli“ mit dem Musikpavillon an der Pödeldorfer Strasse.
Zur betrieblichen Grundkonzeption einer Exportbierbrauerei gehörte zwingend ein Gleisanschluss, da die Eisenbahn die einzige Möglichkeit darstellte, um die Produkte überregional ohne Qualitätsverlust versenden zu können. Bereits vorab muß also Simon Lessing diese Infrastruktur vorgesehen haben. Der Magistrat der Stadt Bamberg hat die gewaltige Sogwirkung der Bahnanlagen auf Produktion und Handel erkannt und schon frühzeitig „Weichen gestellt“. Die unbebauten Fluren rings um die Eisenbahnanlagen boten sich für die Ansiedelung bevorzugt an. Damit die Kommune auch wirtschaftlich von dieser Entwicklung profitieren konnte, stieg der Magistrat hier zur Wirtschaftsförderung als Infrastruktur-Betreiber ein. Das Gleis vom Staatsbahnhof zur Frankenbräu wurde ein „Städtisches Industriegleis“. Das Gleis selbst wurde von der Bayerischen Staatsbahn für Rechnung des Magistrats bis zum Werkstor der „Frankenbräu“ gebaut, die Kosten für die Werksgleise trug die Brauerei. Für die Benutzung des Gleises erhob der Magistrat Gebühren, für den Verschub der Güterwagen durch eine Staatsbahnlokomotive fielen entsprechende Gebühren dort an. Auf dem Plan sind im Bereich der Brennerstrasse, Katharinenstrasse, Neuerbstrasse und Kloster Banz-Strasse Anschüttungen zu erkennen – die jeweiligen Strassen gab es noch nicht. Zum Produktionsbeginn der Brauerei 1888 oder 1889 waren folgende Anlagen betriebsbereit:
In unmittelbarer westlicher Nachbarschaft hatte sich ebenfalls die „Eisengießerei Langhammer“ angesiedelt. In einem Plan von ca. 1895 ist eine Gleisverbindung von der Gießerei zum Industriegleis eingezeichnet.
Dem Fotografen Bauer aus Lichtenfels verdanken wir eine Fotografie der Pödeldorfer Strasse im unteren Verlauf. An der Datierung auf 1891 kommen Zweifel auf: Die Wohnhausbebauung in der Pödeldorfer Strasse ist erstmals auf einem Plan von 1905 erkennbar und sehr wohl in den Jahren zwischen 1902 und 1905 entstanden. Als Aufnahmezeitpunkt könnte man etwa um 1905 annehmen.
Am linken Bildrand erkennen wir die „Elektrotechnische Fabrik Baierlein“ an der Brennerstrasse mit dem hohen Kamin, der mittlere Kamin gehört zur „Möbelfabrik Gerst“, der Kamin rechts zur Strassenbahn Bamberg. Im Vordergrund des Bildes sehen wir einige Güterwagen sowie Schuppengebäude der Bahnmeisterei.
In der Ausschnitt-Vergrösserung sehen wir zwischen zwei Gebäuden an der Pödeldorfer Strasse einen Zug auf dem Industriegleis. Wegen der recht langen Verschlusszeit ist der Zug auf dem aufgeschütteten Planum nur schemenhaft erkennbar. Das Gelände nach Nordosten ist noch völlig unbebaut.
Auf einem Gleisplan des Bahnhofs Bamberg, datiert auf 1897, sehen wir den Magazinschuppen aus dem o.g. Foto und die „Elektrotechnische Fabrik Baierlein“. Das Industriegleis ist als Schleppgleis nördlich der Fabrik eingetragen und überquert hier die Brennerstrasse. Am rechten Bildrand ist der erste Bamberger Lokschuppen der Staatsbahn mit Briquettelager sowie der Wagenschuppen angeschnitten sichtbar.
Auch die Bamberger Strassenbahn hat die freien Flächen genutzt und im Bereich der Georgenstrasse eine Wagenhalle sowie ein Maschinen- und Kesselhaus errichtet. Im Jahr 1898 hat man dort den Plan verfolgt, einen Werksanschluss vom Industriegleis über eine Weiche herzustellen. Vorgesehen war eine Wagendrehscheibe sowie zwei Entladegleise jeweils neben dem Kesselhaus. Schwerpunkt war sicherlich der Empfang von Kohlen.
Wegen der Erweiterung der Nebengleise im Bereich der Bahnmeisterei sowie der veränderten Einfahrt in die Güterzug-Aufstellungsgleise musste 1903 das Industriegleis verschwenkt werden.
Ein weiterer Betrieb wurde 1904 an das Industriegleis angeschlossen, nämlich die Holz- und Metallwarenwarenfabrik „Bayerlein&Rath“ in der Brennerstrasse 8. Aus dem Jahr 1904 haben wir einen Briefkopf, der im Vordergrund das Industriegleis mit einem Zug in Richtung „Bamberger Hofbräu AG“ (so firmierte die Frankenbräu ab etwa 1900) zeigt und auf dem Anschlussgleis ebenfalls einen Zug abbildet. Rechts die Rath'sche Villa an der Katharinenstrasse. Alle Bildelemente sind phantasievoll zusammengefügt, wenn auch nicht ganz schlüssig.
1921 wird das Werksgleis „Bayerlein&Rath“ (ab jetzt „Grossa Sauermann AG“) bis zum nächsten Betrieb verlängert. Es handelt sich um das Sägewerk „Schingnitz“ in der Brennerstrasse 12. Der Unternehmer Julius Cohn plante in der gleichen Zeit die Errichtung einer Cichorienmälzerei zwischen der Katharinenstrasse und der Neuerbstrasse gegenüber den Strassenbahnanlagen. Die umfangreichen Gleispläne lassen vermuten, dass nennenswerter Güterverkehr zu erwarten gewesen war. Ausserdem errichtet das „Bamberger Trockenwerk“ eine Lager- und Umschlaghalle mit einer Laderampe direkt am Industriegleis zwischen der Georgen- und der Katharinenstrasse. Die kompakte Ansammlung von Industriebetrieben in diesem Bereich zeigt recht gut ein Plan von 1919.
Schließlich wird 1924 auch noch der Industriebetrieb Wieland an das Gleisnetz angeschlossen.
Der Plan von 1924 zeigt ebenfalls das geplante Werk von Julius Cohn in ganzem Ausmaß.
In den folgenden Jahren haben auch weiträumige Anlieger Rechte zum Wagenverkehr auf dem Industriegleis bekommen. Unter anderem bekamen die Firmen „Spielwarenfabrik Georg Hoh“ in der Georgenstrasse 10 sowie „Kolonialwaren Oskar Wethmüller“ in der Georgenstrasse 5 das Recht, Güterwagen auf dem Industriegleis zu be- und entladen. Hierfür gab es nördlich des Gleisbogens zwischen Georgen- und Katharinenstrasse einen Zufuhrweg, über den die bereitgestellten Wagen behandelt werden konnten. Das Gelände der „Trockenwerke“ übernahm die „Bamberger Transport Gesellschaft“.
Der Hauptnutzer des Industriegleises blieb jedoch nach wie vor die „Bamberger Hofbräu AG“. Da keine eigene Lokomotive vorhanden war, wurden die Waggons entweder von Hand oder mittels Pferden auf dem eigenen Gelände bewegt. Zwischen 1925 und 1930 gab es für die Nahversorgung der Bevölkerung auch schon den ersten Kraftverkehr der Brauerei.
Überlieferte Privatfotografien zeigen eigene Bierwaggons der Bamberger Hofbräu auf den nördlichen Aufstellgleisen der Brauerei. Die Fotos dürften um das Jahr 1930 entstanden sein und zeigen einen langen aufgestellten Zug hinter dem Löschweiher (Wasser abgelassen) sowie zwei Burschen, die offensichtlich sommerlichen Badevergnügen im Löschweiher nachgehen.
1936 wird der Hauptaktionär der Hofbräu AG, Willy Lessing, aus religiös-rassistischen Gründen enteignet. 1939 erliegt er seinen schweren Misshandlungen, die er in der so genannten „Reichskristallnacht“ beim Versuch die Thora zu retten erlitten hatte.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Fluren im Osten Bambergs zunehmend Siedlungsgebiet. Die Bamberger Hofbräu wurde ein Betrieb der amerikanischen Besatzungskräfte. Um das Bamberger Industriegleis herum entstanden Wohngebiete, Industriebetriebe verlagerten. Aus dem Jahr 1957 gibt es eine Serien von Luftbild-Fotografien, die einen guten Blick auf die Situation geben. Auf dem ersten Bild (Blickrichtung Ost) erkennen wir die Überquerung der Brennerstrasse am unteren Bildrand, sodann die Weiche zu den nördlichen Betrieben, den Lagerplatz zwischen Georgen- und Katharinenstrasse und den weiteren Verlauf hinter den städtischen Verkehrsbetrieben.
Auf dem zweiten Bild dieser Serie (Blick von Nordwest) sehen wir den mittleren Anschnitt der Bahnstrecke zwischen Neuerbstrasse und Kloster Banz-Strasse. Die Bahnübergänge sind durch Andreaskreuze gesichert. Am oberen Bildrand die „Bamberger Hofbräu AG“.
Auf einem dritten Luftbild schließlich blicken wir von Süden auf die Brauereianlagen der Hofbräu. Der Bierversand scheint schon weitgehend auf die Strasse verlagert zu sein, es sind keine Bahnwaggons mehr zu sehen. Die Gleisanlagen sind noch vollständig vorhanden.
Mitte der 1960er Jahre wurden die Gleise abgebaut. Die Aktienmehrheit wurde von der „Patrizier Bräu AG“ aufgekauft, die „Bamberger Hofbräu AG“ 1977 liquidiert. Die Brauereigebäude wurden 1982 abgerissen. An die Brauerei erinnert im Jahr 2025 nichts mehr, das Bamberger Industriegleis ist spurlos verschwunden. Lediglich die Lagerhalle der ehemaligen „Bamberger Transport-Gesellschaft“ ist noch vorhanden.
Bild- und Planmaterial:
StaBi Staatsbibliothek Bamberg
StBA Archiv- und Registraturbestände der Stadt Bamberg
Bilder aus der Sammlung Christian Fiedler
unbezeichnet: Eigene Bestände